Sarah Kirsch wurde heute vor 85 Jahren in Limlingerode in Thüringen geboren. Sie war eine der bekanntesten aber auch der unangepasstesten Lyrikerinnen, Erstunterzeichnerin gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976. Wegen Ihres Eintretens für Biermann wurde sie aus der SED und dem Schriftstellerverband der DDR ausgeschlossen. 1977 übersiedelte sie mit ihrem Sohn nach West-Berlin. Auch in Westdeutschland behielt sie ihre wachsame, kritische Haltung bei. 1980 etwa verfasste sie zusammen mit Günter Grass, Thomas Brasch und Peter Schneider einen offenen Brief an den damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt, in dem zu einer kritischen Haltung gegenüber der amerikanischen Außenpolitik aufgerufen wurde.
Sarah Kirschs Lyrik begleitet mich schon sehr lange. Eine Auswahl der Gedichte fiel mir als Jugendlicher in den 80’ern in die Hand. Die Naturlyrik mit seinen fantasievollen Farben auf der einen und seiner sachlichen Beschreibung auf der anderen nahm mich gefangen. Harald Hartung sprach in einem Beitrag in der FAZ von „Poetischem Prankenschlag“. Bis heute lese ich immer wieder in den Gedichten von Sarah Kirsch. Hier eine Einladung, ihre Lyrik zu entdecken:
Watt 1
Salzränder am Schuhwerk ich lief
Unterm Leuchtfeuer hin der Flutsaum
Setzt sich aus Meergras Möwenflügeln
Plastikgerümpel grämlich zusammen
Muschelgeld uralt dazwischen
Gestreut etliche Sterne.
Die Priele glitzern wien tiefes
Gedächtnis die schmale Sichel
Sich verpissenden Mondes ging
Im zerfledderten Himmel ich könnte
Die Füße nicht lösen und schlich
Als hätte mich Caspar Davids
Schlechterer Vetter
Mit Pech an den Strand gemalt.
Von den Halligen tönte
Gänsegeschrei.