Team Stabstelle Presse und Kommunikation des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn
Die zweite durch die Pandemie bedingte Schließung im Jahr 2020 lief viel unaufgeregter als die erste im März. So halbwegs wussten sowohl die Mitarbeitenden als auch die Besuchenden, wie es geht. Tür zu. Abstand. Mund-Nasenschutz. Händewaschen und desinfizieren. Der Corona-Notfallplan und die Hygienemaßnahmen wurden kontinuierlich angepasst und verbessert, die Prozesse optimiert.
Zwischen der moderaten Öffnung und der zweiten Schließung besuchten dann doch relativ viele Gäste die Ausstellungen. Dies zeigt unsere Statistik für 2020 sehr eindeutig. Die Veranstaltungen und Bildungsangebote im „Live-Modus“ sind in der Anzahl allerdings zwangsläufig sehr stark zurück gegangen. Bestimmte Vortragsreihen sind komplett zum Erliegen gekommen.
Produktivität statt Stillstand
Um diese Mängel auszugleichen haben wir, wie viele andere, einen Schwerpunkt auf die digitalen Medien gesetzt. Für Live-Übertragungen ist bei uns die Technik noch nicht richtig ausgereift, wir arbeiten daran. Aber im Video-Filmen und Erzählen vor der Kamera sind wir besser geworden. Um nicht zu sagen: Wir haben angefangen und uns gesteigert. #museumkoenigzuhause und andere Formate wecken das Interesse und halten es aufrecht. Die digitale Vermittlung wird sicher weiterwachsen. Allerdings sehen wir auch, dass viele unserer Inhalte sich an einigen Stellen nicht nur doppeln, sondern vervielfachen. Manchmal hat man den Eindruck: Es ist schon alles gesagt worden, aber noch nicht von jedem (Museum?). Obwohl jedes Werk an jeder Stelle ganz eigene, besondere Aspekte und Inhalte hat, gilt es, das eigene Profil weiter zu schärfen. Das ist eine Herausforderung, die wir sehen und annehmen.
Der Aktionsplan der Leibniz-Forschungsmuseen schafft zusätzliche Möglichkeiten. Allerdings: Für die Projekte dort und ebenso in anderen Bereichen steigen die Kosten, da nun zum Beispiel die großen Konferenzen als Hybrid durchgeführt werden müssen. Flexibilität ist das Thema der Zeit. Ist heute etwas durchkalkuliert, muss die Rechnung morgen neu aufstellt werden. Dauernd – immer wieder und in viel größerem Umfang als sonst. Das ist ermüdend und inspirierend zugleich.
Jetzt, in der erneuten Schließung, kommt uns das entgegen. Wir sind auf eine neue Weise sichtbar und hörbar geworden. Doch das Bauchgefühl sagt: das reicht nicht. Wir erreichen noch zu wenig Personen. Und der Kontakt, dass was die Menschen im persönlichen Austausch miteinander in den Ausstellungen erleben, wie sie kommunizieren, staunen, eigene Geschichten beitragen, das fehlt immens.
Planungen und Umsetzungen
Es ist so still im Museum. Und das obwohl eigentlich überall gearbeitet wird. In dem Bereich der neuen Dauerausstellung „Regenwald-Kronendach“ wird dauernd gezimmert, gebaut, gemalt, konstruiert und das zum Teil sogar mit Musikuntermalung („Musik an!“). Das Spendenfinale der Alexander Koenig-Gesellschaft, des Fördervereins des Museums Koenig, startet trotz Schließung sehr erfolgreich. Weniger spektakulär aber für die zukünftige Wohlfühlatmosphäre im Museum wichtig: Die Wände werden gestrichen… wir renovieren, was eben geht. Die Mindereinnahmen machen sich bemerkbar, und es ist nicht alles möglich, was wir uns wünschen – aber es tut sich was und nicht mal wenig.
Rationalität und Emotionalität
Wir wissen natürlich, dass wir als „großes Museum“ und mit dem öffentlichen Dienst viele Privilegien genießen. Wir sehen die anders strukturierten Museen, die Kleinbetriebe und die mittelständischen Betriebe aber auch die Kolleginnen und Kollegen in den Partnerinstitutionen, die es noch viel härter getroffen hat. Gerade diejenigen, die im Veranstaltungswesen und der Touristik „unterwegs sind“. Die persönlichen Hintergründe bleiben nicht verborgen, und manchmal ist es schwieriger, die persönlichen Dinge mit dem Beruf unter einen Hut zu bekommen als nur den Beruf allein. Bei uns im Museum sind es vor allem die Doktoranden, die nicht über Drittmittel finanziert sind, und die aufgrund der Pandemie ihre Nebenjobs und damit ihre Erwerbsquellen verloren haben. Das wissenschaftliche Vorankommen dieser Personen ist gefährdet, eine Verantwortung, der wir uns durchaus bewusst sind. In den Familien muss beim mobilen Arbeiten der Arbeitsplatz ganz neu mit den persönlichen Gegebenheiten abgestimmt werden. Die Sorge um die Qualität der Ausbildung der eigenen Kinder der Mitarbeitenden ist groß. Die Sorgen um die Gesundheit der Familienmitglieder und Freundinnen und Freunde sind sehr ernst zu nehmen. Hobbies liegen brach. Die Müdigkeit in den Bemerkungen „es geht uns gut“ wird mit der Dauer der Pandemie stärker
Aber auch in der konkreten Arbeit zum Beispiel in den Laboren dürfen die Untersuchungsreihen nicht gefährdet sein. Hiervon hängt die Zukunft vieler Studierenden und Post-Docs von ab. Wir arbeiten fast in allen Bereichen in mindestens 2 Teams, die sich teilweise nicht sehen dürfen. Vor allem in der Tierpflege ist das wichtig, denn die Versorgung der Tiere muss jederzeit gewährleistet sein. Die Kolleginnen und Kollegen, die im Freiland arbeiten, vermissen wesentliche Aktivitäten. Das Erlangen von Ergebnissen verzögert sich zumindest teilweise. Auch die Betreuung der Auszubildenden ist eine Herausforderung. Wir „erfinden“ zum Beispiel kreativ „Veranstaltungen“ für die Auszubildenden im Bereich „Veranstaltungskaufleute“, damit die Ausbildung überhaupt stattfindet. Ob das nicht später eher irgendwie SoMe Spezialisten sein werden? Egal, alles ist besser als gar nichts zu lernen, was, wie wir haben munkeln hören, an anderen Stellen, verständlicherweise tatsächlich vorkommt. Immerhin können wir jetzt tatsächlich von Zuhause aus auf das Intranet des Museums zugreifen. Das ist gut für diejenigen, die eher so eine Art Bürojob haben.
Und was ist mit den denjenigen, die mehr als einen Arbeitsplatz am PC benötigen? Aufsichts- und Reinigungsarbeiten zum Beispiel können schlecht „von zuhause aus“ erledigt werden. Ist für uns Kurzarbeit ein Thema? Die Leitung versucht derzeit alles, das zu vermeiden. Ob es dauerhaft klappen wird, ohne Kurzarbeit auszukommen, wissen wir nicht.
Die Maßnahmen belasten die Psyche und auch die Fitness insgesamt. Wir müssen uns aktiv und sehr persönlich in Resilienz üben, um der „Tristesse“ entgegen zu wirken.
Gesellschaftliche Verantwortung
Wir wehren uns mit Händen und Füßen gegen den Stillstand. Gleichzeitig müssen wir die Auflagen umsetzen. Wir haben viel Verantwortung: Für diejenigen, die lernen, für die Gesellschaft und damit für diejenigen, die Forschung ermöglichen. Auch für diejenigen, die uns unterstützen, zum Beispiel die Mitglieder der Alexander-Koenig-Gesellschaft e.V., des Fördervereins des Museums.
Die Sorgen, was noch kommen mag, treiben uns um. Ende August erfolgte eine Art Besetzung der Reichstagstreppe bei Demonstrationen gegen die Corona-Politik in Berlin. Der rechtsextremistische Hintergrund, der mitschwelte, war nicht zu übersehen. Jetzt stürmten auch Extremisten das Kapitol in Washington. Ähnliche Bilder und ähnliche Aktionen, die verstören. Die Fachleute in den USA sagen, sie können sich nicht vorstellen, was diese Aktion angerichtet hätte, wenn die Museen rund um das Kapitol geöffnet gewesen wären. Da hatte die Corona-Krise doch glatt auch fast etwas Gutes. Dieser Gedanke fühlt sich sehr schwer an, zumal so viele schon durch das Virus ihre Angehörigen verloren haben und großes Leid erfahren mussten. Vergessen wir auch nicht, dass an der National Mall so viele erstklassige Museen mit höchsten Besucherzahlen stehen, dass man zumindest als „Museumsmensch“ am liebsten einen ganzen Urlaub dort verbringen möchte. Jeder ist schockiert über die sinnlose Gewalt und die Bedrohung des politischen Prozesses hier wie dort. Und leider sind solche Geschehnisse nicht neu in der Geschichte unserer Nationen. In den USA erfolgten bereits Ende des 19. Jahrhunderts Angriffe auf Wahlprozesse zum Beispiel in Georgia. In den 1870er und 1890er Jahren wurden diese Angriffe von gewalttätigen Mobs durchgeführt. Damals wurde die Demokratie weniger Privilegierter angegriffen. Ein gewaltsamer Sturz einer Regierung kann allerdings nicht wirklich gut geheißen werden, wie wir aus unserer eigenen nicht lange zurück liegenden Geschichte wissen – wobei das NS Regime ja durch Wahlen eine gewisse Legitimität zumindest am Anfang hatte, um dann in eine Schreckensherrschaft sich ebenfalls privilegiert vorkommender Menschen überzugehen. Wenn wir ehrlich mit unserer Geschichte umgehen, können wir vielleicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Rassismus, Faschismus, Extremismus: nein. Gleichberechtigung und Gleichstellung, sozialer Frieden, Toleranz: ja.
Auch das Museum Koenig hat viel zur Demokratie zu sagen und der größte Raum, in dem eine entsprechende Kommunikation auch mit Zielgruppen, deren Interessen vielleicht nicht vordergründig zeithistorischer oder politischer Art sind, ist derzeit „verstummt“.
Gleichzeitig sind die im geringeren Umfang stattfindenden Dienstreisen und auch Anfahrten zum Museum günstig für die Umwelt. Aber besteht eine berechtigte Hoffnung, dass dies der Umwelt ökologische Verbesserungen bringen wird und gleichzeitig sozialverträglich umgesetzt werden kann? Oder gibt es nicht eher einen Schub in die falsche Richtung, dass die Klassengesellschaft verstärkt wird und die Teuerungen, die bereits jetzt eingeführt werden, die Lebenssituation der nicht ganz so gut situierten Menschen weiter verschlechtert? Und erschwert uns Museen eine solche Entwicklung nicht noch mehr als sonst schon, die sogenannten bildungsfernen Schichten an „uns“ zu binden? Und bildungsfern in bildungsnah zu ändern? Oder in kreativ, munter, zusammen, emotional und divers?
Fazit und Ausblick
Das Konfliktpotenzial der Diskriminierung von bestimmten Gruppen war auch vor der Pandemie schon vorhanden, jetzt scheint es sich zu verstärken. Diese Herausforderung wird uns Museen dazu bringen, noch mehr darüber nachdenken zu müssen, dass wir in der Vermittlung substantieller Beiträge zu gesellschaftlich brisanten Themen nicht nur im Museum selbst relevant sind sondern auch an anderen Orten zum Beispiel auf unseren digitalen Kanälen.
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