Die erste Besucherin kam aus Frankfurt und stand schon zwanzig Minuten vor Öffnung vor der Tür des Linden-Museums. Ein paar Tage später kam sie sogar zum Wiederholungsbesuch. Von ihrer Freude über die Wiedereröffnung berichteten mir heute Morgen meine Kolleg*innen vom Empfang. Sie ist kein Einzelfall, wie ich auch aus Mails erfahre. Das Feedback der Besucher*innen ist größer geworden in der Corona-Zeit, erst der häufig geäußerte Wunsch auf eine baldige Wiedereröffnung, dann die starke Nutzung digitaler Angebote und die vielfältige Resonanz darauf, auch viele fachliche Fragen und tiefe Auseinandersetzung mit Ausstellungsinhalten – all das macht uns Museen vielleicht nicht gleich systemrelevant, es zeigt aber, dass wir für viele Menschen wichtig sind und eine Anregung im Alltag darstellen.
Wir hatten Glück: Wir konnten die Große Landesausstellung „Azteken“, die eigentlich nur bis 3. Mai geplant war, bis 16. August verlängern, da die mexikanischen Kuriere, die für den Weitertransport ihrer Objekte zur zweiten Station der Ausstellung ins Weltmuseum Wien verantwortlich sind, noch nicht reisen dürfen. Rund 2000 Besucher*innen verzeichneten wir in den ersten zwei Wochen Öffnung seit dem 12. Mai. Das ist wenig im Vergleich zu den Wochen vor dem Corona-Abbruch, da waren es etwa drei Mal so viele in einem Zwei-Wochen-Zeitraum. Es ist also nicht alles wie vorher und das kann es auch gar nicht sein. Die Einschränkungen sind spürbar: Ein Ausstellungsbesuch mit Maske fühlt sich anders an als ohne, die Maske hemmt auch die Kommunikation unter den Besucher*innen. Interaktive Medienstationen in der Ausstellung, die zur spielerischen Auseinandersetzung und Kommunikation animieren, sind gesperrt, die persönliche Vermittlung und das Gespräch in Führungen fehlen. „Der Kaffee danach“ hat anfangs auch vielen gefehlt, der ist inzwischen wieder möglich. Die Atmosphäre insgesamt aber hat sich verändert: Es ist stiller geworden, gleichzeitig ist der Ausstellungsbesuch aber manchmal auch intimer, bewusster, das höre ich aus Gesprächen mit Besucher*innen heraus.
Ein neuer Job bei uns ist der „Türsteher“ oder „Schlangenbeschwörer“, wie unsere Direktorin gerne sagt, man könnte ihn auch „Einlass-Manager“ nennen. Die Abstands- und Hygieneregeln bereiten den Besucher*innen offensichtlich keine Probleme, sagt er, auch die bislang seltenen Wartezeiten beim Einlass würden geduldig und „gut gelaunt bei Regen“ (O-Ton) hingenommen. Seine Laune – bei ihm scheint immer die Sonne – strahlt hier sicher auch ab.
Offen sein – das ist unsere Aufgabe, in jeder Hinsicht: vor Ort, aber weiterhin und verstärkt auch im digitalen Raum.
Martin Otto-Hörbrand ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Linden-Museum Stuttgart
Foto: Vorplatz Wiedereröffnung, ©Linden-Museum Stuttgart, Foto Harald Völkl